Das jüngste Gericht auf dem Tympanon von der Abtei Sainte-Foy in Conques-en-Rouerque in Frankreich (11. Jahrhundert) wurde öffensichtlich aufgenommen und nachher rezipiert, weil ihr ein gemeinsamer Erfahrungs- und Erwartungshorizont eigen war. Die historische Bedeutung von Sainte-Foy ist unbestritten. Die Abtei zählt zu den Klöstern, die vom 9. Bis 12. Jahrhundert eine weitreichende Anziehungskraft entfalteten und die auch kunstgeschichtlich eine herausragende Bedeutung haben.
Die Reliquien der Sainte Foy (Fides) wurden schon im 9. Jahrhundert erworben. Conques wurde bald zu einer zunehmend attraktiven Station. Die Abteikirche wurde mit der Fertigstellung der Westfassade um 1100 vollendet. Nicht nur die Architektur, sondern auch die Skulptur war von einer neuen Dimension. Bibeltradition, Fideslegende und vor Ort präsente Begebenheiten entsprachen die Absichten des Auftraggebers (wahrscheinlich die Abtei) und des Künstlers, aber mit dem Publikum als bestimmende Faktor.
Das Publikum, ‘Target groups’ sagen wir heute, prägten die Darstellung. Da nur eine kleine Minderheit (lateinisch) lesen konnte, mußte die Sentenzen auch durch eine Skulpturenwelt anschaulich gemacht werden. Damit erscheint auch der epische Charakter dieser Kunstgattung. In den königsfernen Räumen Frankreichs im 11. Jahrhundert fehlte eine anerkannten obersten politischen Macht . Es war zunächst die Kirche, die sich bemühte den Frieden zu sichern (die Gottfriedensbewegung oder die Pax Dei) gegen die Feudalanarchie. Das Bild einer alle sozialen Gruppen integrierenden Ordnung wird präsentiert: am Ende, am letzten Tag, sind alle gleich und der im Zentrum des Giebelfeldes zu Gericht sitzenden Christus, die maiestas domini, untergeordnet. Für Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela war die Botschaft auch eindeutig.
Die cluniacensischer Reform intendierte die Bildung neuer Gemeinschaftstypen auch mit. Die gesellschaftsrelevante Grundthematik der Ikonographie war dem Publikum nachvollziehbar. Die Kirche versucht eine christliche Ordnung zu Gründen und die verschiedenen gesellschaftlichen Interessen (von Rittern, Bauern und der Kirche) zum Ausgleich zu bringen.
Was hat das alles mit Lewis, einem Insel im Norden Europas zu tun ? Alles. Im Jahre 1831 wurden in Lewis die ersten bekannten Schachbischöfe gefunden. Die historisch-soziologischen Interpretation ist Gegenstand einer Untersuchung der European Spectator in der englischen oder deutschen Sprache. (Text: R. Strecke, Romanische Kunst und epische Lebensform (Berlin 2002).