Welche realen Intentionen, Erwartungen und Deutungen lagen im Augenbick seiner Erstehung die ‘Lewis Chessmen’ zugrunde. Die Lewis-Schachfiguren sind ein Schatz von insgesamt 78 Schachfiguren, die 1831 auf der schottischen Lewis bei Uig, der größten Insel der Äußeren Hebriden, entdeckt wurden.
Sie wurden vermutlich in Norwegen (Trondheim oder Nidaros im Mittelalter) hergestellt und gelten nicht nur als die besterhaltenen mittelalterlichen Schachsteine und ein hervorragendes Zeugnis romanischer Elfenbeinschnitzerei, zum ersten Mahl gibt es auch Bischöfe im Schachspiel.
Bis heute erhalten sind insgesamt 78 Figuren, die zu vier Figurensätzen gehören, von denen zwei vollständig sind. Insgesamt wurden 8 Könige, 8 Königinnen, 16 Bischöfe (Alfil/Läufer), 15 Springer, 12 Türme und 19 Bauern gefunden.
Mit Ausnahme der Bauern besitzen alle Spielfiguren menschliche Züge. Die Könige und Königinnen sitzen auf Thronen, die Bischöfe sind mit einem Bischofsstab und einer Bibel ausgestattet und die Springer auf Pferden. Kleidung und Waffen sind detailliert dargestellt.
Einige der Türme sind als Krieger (Berseker) dargestellt. Die größten Spielsteine sind die Bischöfe, die bis zu 10,2 cm hoch sind.
Die Schachfiguren entstanden vermutlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Norwegen, in Trondheim, Residenz des Erzbischofs van Nidaros, gegründet in 1153.
Die Lewis-Schachfiguren wurden im romanischen Stil aus dem Elfenbein von Walrossen und Walzähnen gefertigt. Warum kam der erste Schachbischof aus Norwegen ?
Und warum zwischen 1150 und 1200 ? Diese Fragen lassen sich vielleicht beantworten mit der Geschichte der ehemaligen Normannen, dem nur seit Anfang des 11. Jahrhunderts angenommenen christlichen Glaube, der normannischen Expansion und Selbstdarstellung und der macht und dem Prestige der Kirche im 12. Jahrhundert.
Es wird darzulegen sein, welcher Blickwinkel der Schachbishof in seiner Gesamtkomposition wie in Details strukturiert und das bestimmende Interesse hervortreten läßt.
Dementsprechend rücken vielen Themen ins Blickfeld. Die Eroberung Englands in 1066 durch den Normann Wilhelm der Eroberer (1027-1087) und die Rolle von Bishof Odo von Bayeux (1030-1097).
Odo hat wahrscheinlich das Teppich von Bayeux in Auftrag gegeben. Er galt trotz seines Amtes als weltlicher Mann und auf dem Teppich, also der profanen Kunst, ist der Bishof zugleich Krieger, Berater und Geistlicher des Königs, wie im Schachspiel.
Vielleicht ist der Schachbishof ein episches Kunstwerk, das die Bildung neuer Gemeinschaftstypen zum Ausdruck bringt.
In dem Maße, in dem aus diesem Kontext heraus einsichtig wird, wie sehr der romanischen Skulptur eine über das vermeintlich allein Religiöse hinausgehende Anziehungskraft inhärent war. ( Quelle: R. Strecke, Romanische Kunst und epische Lebensform. Das Weltgericht von Sainte-Foy in Conques-en-Rouergue (Berlin 2002).